Modell Torres |
Annabelle Kießig |
Antonio de Torres (1817-1892) darf als der entscheidende Wegbereiter für den modernen Gitarrenbau gelten. Seine
Instrumente werden heute als Ausgangspunkt für die Entwicklungen der klassischen Gitarre des 19. und 20. Jahrhunderts betrachtet. |
Torres entwarf mindestens fünf verschiedene Deckenformen, die im Vergleich mit denen seiner Gitarrenbau-Kollegen fast
alle größer waren (Romanillos 1990, S.106). Er verwendete die Formen mehrfach und blieb bei einer konsequenten Anzahl von fünf oder
sieben Fächerleisten in symmetrischer Anordnung (Romanillos 1990, S. 128f.), wobei der gedachte Schnittpunkt (Focus) je nach Modell
größtenteils zwischen dem 8. und 9. bzw. auf dem 13. oder 16. Bund liegt. |
Als Miguel Llobet 1913/14 (GF 22. Jg., 1921, 2, S. 18), 1921 und 1924, Andrés Segovia 1924 (GF 25. Jg., 1924, 7/8,
S. 61) und Emilio Pujol 1926 und 1928 (GF 27. Jg. 1926, 11/12; S. 139 und G&L Nr. 2/1986, S. 31) auf ihren Konzertreisen nach
Deutschland kamen, hinterließen sie einen enormen Eindruck in der Musikwelt. Dabei unterschieden sie sich nicht zuletzt durch die
von ihnen gespielten Gitarren von den deutschen Interpreten. |
Viele Gitarrenbauer wie Hermann Hauser in München, Wilhelm Herwig und Peter Harlan in Markneukirchen, die
Firma "Die Gitarre" in Berlin, F. Hirsch in Prag und nicht zuletzt Richard Jacob beschäftigten sich mehr oder minder
intensiv mit den spanischen Originalgitarren und deren Nachbauten. |
Infolge dieser Bemühungen wurde der Begriff "Torres-Gitarre" zu einer Art Modellbezeichnung. Man nahm
einfach den Namen "Torres" für ein spanisch aussehendes Instrument, wobei der Werbezweck oft deutlich die Modelltreue
überdeckte. Man summierte unter ihm auch allerlei Mischformen und Zusätze, die bei Torres selbst nie vorkamen, beispielsweise die
deutsche Hals-Korpus-Verbindung, Volutenstege, verschiedenste Kronenformen, vor allem aber unterschiedlichste Arten von
Deckenbeleistungen. |
Richard Jacob und Wilhelm Herwig boten u.a. Torres-Gitarren mit mehreren Baßsaiten an (GF 28. Jg., 1927, 7/8 und
9/10; GF 27. Jg. 1926, 1/2). Zwar baute Torres auch Gitarren mit mehreren Baßsaiten, jedoch gibt es keine Belege, daß diese
Gitarren ebenfalls in Deutschland gespielt oder gar als Vorlage benutzt wurden. |
Miguel Llobet spielte die Torres-Gitarren FE 09 und die FE 13. Erstere besitzt einen Tornavoz, weshalb sie
große Beachtung in München fand (GF 24. Jg., 1923, 1/2/3, S. 46). Llobet spielte sie bei seinen Plattenaufnahmen (Romanillos 1990,
S. 216/218). Die Torres-Gitarre FE 13 soll er auf seinen Deutschland-Tourneen benutzt haben (Romanillos 1990,
S. 218). Somit hätte für Richard Jacob die Möglichkeit bestanden, dieses Instrument in die Hände zu bekommen. |
In den Korpusmaßen stimmt die Weißgerber-Gitarre Inv.-Nr. 4765 fast mit der FE 09 überein, was ein Indiz für das unmittelbare Vorbild der FE
09 sein könnte. Allerdings existieren dafür bis jetzt keine Belege. Bekannt ist jedoch, dass Hermann Hauser von der FE 09 den Umriß
abgenommen hat (Romanillos 1990, S. 79). |
Andrés Segovia spielte eine Gitarre von Manuel Ramirez / Santos Hernandez, die 1912 von einem elf- zu einem sechssaitigen Instrument
umgebaut wurde, wobei Hernandez als der eigentliche Erbauer der Gitarre angesehen werden muß (Bruné 1994; Romanillos 1990, S. 71). Obwohl der
Zettel deutlich zu erkennen ist, wurde sie von Hermann Hauser ebenfalls als "spanische Torres-Gitarre" bezeichnet (GF 26. Jg. 1925, 7/8). Hauser
betont in einer Annonce, daß es sich bei seinem Modell um eine getreue Kopie der Segovia-Gitarre handele. |
Richard Jacob unterschied zunächst zwischen einem Modell Torres und einem Modell Segovia (vgl.
Annonce von 1925; GF 26. Jg. 1925, 7/8), in seinem Katalog von 1933 beschreibt er jedoch auf S. 8 unter Nr. 118 das "Torres-Konzert-Modell"
als die "von Segovia und Llobet gespielte echte Torres von Rio-Jaccaranda". Auf einer seiner Deckenschablonen ist zudem "Torres-Segovia 10/1927" vermerkt. |
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Richard Jacob: Verkaufskatalog 1933, S. 7: "Torres-Gitarre"; S. 9: "Meine neueste Konzert- u.
Solo-Gitarre Nr. 123 ist das allerbeste, was die Gitarrebaukunst des In- und Auslandes zu bieten vermag." |
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Damit wird deutlich, in welcher Weise man in der ersten Jahrhunderthälfte den Begriff "Torres-Gitarre" gebrauchte. Daß die
Gitarren von Torres natürlich auch Manuel Ramirez in seiner Arbeit beeinflußten und die sieben symmetrischen Fächerleisten der 1912
gebauten Gitarre an Torres Arbeit angelehnt sind, steht außer Frage. |
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Alle sechs der sich in der Leipziger Sammlung befindenden Torres-Modelle von Richard Jacob
besitzen unterschiedliche Korpusumrisse, lediglich Inv.-Nr. 4767 und 4770 stimmen weitgehend überein. Inv.-Nr. 4765
entspricht der Schablone "Torres-Segovia 10/1927"; jedoch ist die echte Segovia-Gitarre von 1912 in der Deckenfläche
größer als diese Schablone.
Inv.-Nr. 4769 paßt zur Schablone "Herren 1930", was auch durch die Beschreibung Martin Jacobs bestätigt wird, der zu
dieser Gitarre anmerkt, daß sie auf Kundenwunsch hin verkleinert wurde (Martin Jacob 1971, S. 18). Diese
Anfertigung war eine gängige Variante, die Richard Jacob in seinem Katalog 1933 auf S. 8 unter Nr. 110 anbot, die
sogenannten "Herrenmodelle" kosteten zudem 10% weniger. |
Richard Jacob: Modell Torres, Markneukirchen 1959; Inv.-Nr. 4772 |
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Zu den anderen Torres-Gitarren wurden keine Schablonen überliefert. Inv.-Nr. 4771 und 4772 sind in bezug auf die Deckenmaße die größten
Instrumente, stimmen in ihren Umrissen jedoch nicht überein. Einen deutlichen Unterschied zu anderen Gitarren ist bei den Modellen Inv.-Nr.
4770 , 4771 und 4772 zu beobachten. Sie weisen an Decke und Boden eine Hohlkehle auf. Martin Jacob beschreibt diese Hohlkehle als erstmalig in
der Werkstatt von seinem Vaters gebaute Weiterentwicklung der Torres-Modelle (Martin Jacob 1971, S.19). Der Klang würde dadurch
veredelt. Zudem wurden diese drei Modelle von Martin Jacob als "große Modelle der Torres-Reihe" beschrieben. Richard Jacob hat neben dem
gewöhnlichen "Torres-Modell" zwei kleinere und zwei größere Formen gebaut (Martin Jacob 1971, S. 15). |
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Richard Jacob Inv.-Nr. 4769 (1938) |
Richard Jacob Katalog 1933, S. 9: Nr. 123: "Simplicio-Konzert-Modell" |
Francisco Simplicio No. 198 (1928) |
Richard Jacob Inv.-Nr. 4768 (1923) |
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Die Beleistungen der sechs Torres-Modelle weichen stark voneinander ab. Varianten von drei, vier, fünf, sechs und sieben Fächerleisten mit
unterschiedlichsten Torsions- oder einfach nur Querleisten in Steghöhe kommen vor. Bei Inv.-Nr. 4772 erscheint die Deckenbeleistung
fast spiegelbildlich auf dem Ahornboden. Die Leisten sind meistens unsymmetrisch und haben unterschiedliche, gedachte Schnittpunkte (Focus)
weit innerhalb oder etwas außerhalb des Korpus sowie in der Nähe des 12. Bundes. Ihre Breite von ca. 3 mm variiert jedoch nicht. |
Insgesamt wird deutlich, dass Richard Jacob gerade auch bei seinen Torres-Modellen viel experimentierte. Zudem entstanden diese sechs
Gitarren in einem Zeitraum von mehr als Jahrzehnten. Vielleicht würde Richard Jacob einige dieser Gitarren auch seiner auf S. 9 seines
Kataloges beschriebenen "Konzert- u. Solo-Gitarre Nr. 123" ("Simplicio-Konzert-Modell") zuordnen, allerdings führt er leider nicht an, worin die Spezifik dieses
Instruments im Unterschied zu den anderen Torres-Modellen besteht. |
Inhalt |
Gitarren: Übersicht |
4765 |
4767 |
4769 |
4770 |
4771 |
4772 | 5072 |
© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 2001 |