Perfekta- und Reformzither
Andreas Michel
Mit der 40 bis 42saitigen Konzertzither ist die Entwicklung des Instrumententyps zu einem gewissen Ende gelangt. 35 und mehr Begleitsaiten stellen an die Physiomotorik der rechten Hand erhebliche Anforderungen. Vor allem gerät die sogenannte "Kontrareihe" teilweise aus der Reichweite des kleinen Fingers. Am Ende des 19. Jahrhunderts führen Versuche, dieses physiologische Problem zu lösen, zur Erfindung der Perfektazither. Bei diesem Typ wird die dritte Bässereihe näher an das Griffbrett herangeführt, indem sie - auf einem gesonderten Steg - die zweite Reihe überschneidet und in einem schrägen Winkel zur Baronstange verläuft. Damit rückt nun der dritte Quintenzirkel in die natürliche Reichweite der Hand. Die Überschneidung der Begleitsaiten führt allerdings auch zwangsläufig zu einem neuen Problem, da bestimmte Stellen der zweiten Reihe nicht mehr angespielt werden können.
Der Wiener Instrumentenmacher Franz Xaver Güttler, der nach Aussage bestimmter Quellen an der Entwicklung des neuen Zithertyps beteiligt gewesen sein soll (Brandlmeier 1963, S. 60), baute das heute zur Sammlung des Leipziger Musikinstrumenten-Museums gehörende Modell (Inv.-Nr. 3926). Das prächtige Instrument mit seiner historisierende Züge tragenden Gestaltung wurde allerdings im Nachhinein verändert. Für die dritte Bässereihe hat man die zweireihige Wirbelanordnung aufgegeben und durch eine einreihige Wirbelstellung den oberen Saitenabstand vergrößert. Ob dadurch spieltechnische Erleichterungen angestrebt wurden, muß bezweifelt werden. Am plausibelsten scheinen optische Gründe: Die Gesamtwirkung der strahlenförmigen Saitenebene wirkt so organischer, da sich der große Freiraum zwischen zweiter und dritter Bässereihe verringerte.
Einen weiteren Versuch, die Konstruktion der Zither der Physiomotorik der rechten Hand anzupassen, stellt die Reformzither dar. Bei diesem Zithertyp werden die ersten fünf Saiten des 3. Quintenzirkels unter den Saiten des 1. und 2. Quintenzirkels plaziert, so daß zugleich die restlichen sechs bis acht Baßsaiten näher in die Reichweite der rechten Hand rücken. 1902 wurde nach einer Idee von Ferdinand Kollmaneck die erste Ideal-Reformzither von dem Grazer Instrumentenmacher Johann Jobst gebaut (Brandlmeier 1963, S. 62).
Bei der Ideal-Reformzither liegen im 1. und 2. Quintenzirkel zusätzliche Saiten, die über einen zweiten, niedrigeren Steg geführt werden. Angestrebt wird damit die Synthese von Normal- und Wiener-Stimmung sowie die Verringerung des Abstandes der Randsaiten des 3. Quintenzirkels zum Griffbrett. Eine Vereinfachung stellt das als Halb-Ideal-Reformzither oder einfacher auch nur Reformzither bezeichnete Modell dar, bei dem die vier unterlegten Saiten in der ersten Oktave entfallen (ebd.).
Die 42saitige Konzertzither von Adolf Meinel, Markneukirchen, stellt eine ausgezeichnete Ausführung einer Reformzither dar (Inv.-Nr. 4165). Der Erbauer schreibt über die Konzeption seines Instruments: "Der Abstand zweier Baßsaiten, der bei der Normalbesaitung 5 mm beträgt, wird durch die dazwischen gelegte Kontrasaite auf 7½ mm erweitert. Durch ein Engerlegen der übrigen Baßsaiten wird diese Erweiterung zum Teil wieder eingespart: die Entfernung von E, bis Gis beträgt 128-129 mm" (Meinel 1958, S. 13).
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© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 1998