Lautenzister
Andreas Michel
Etwa um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Instrumente gebaut, die eine Mischform von Laute und Zister darstellen. Die charakteristischen Merkmale dieser Lautenzistern sind:
- gespänter Lautenkorpus mit Kappe und Karniesleisten
- Zisternhals (nur diskantseitig unter dem Griffbrett)
- unterständige Saitenbefestigung an Knöpfchen
- Wirbelkasten mit seitenständigen Wirbeln und geschnitzter durchbrochener Rückseite
- sechs Doppelchöre
- Metallbesaitung
Die prägenden Merkmale: unterständige Saitenbefestigung, Metallbesaitung sowie der zisterntypische Hals begründen die Klassifizierung als Lautenzistern, d.h. Zistern mit Lautenkorpus. Ihre Entstehung fällt in die Zeit der endgültigen Ausgliederung von Barocklauten aus dem zeitgenössischen Instrumentarium. Ähnlich wie die Mandora ("Gallichon"), dürfte sie einen Versuch darstellen, die Vertrautheit eines bekannten Instruments in modifizierter, vereinfachter Form einer neuen Funktion zuzuführen.
Neben einfachen sechs- und siebenchörigen Lautenzistern wurden dreizehn- und vierzehnchörige Instrumente in theorbierter Ausführung gebaut (Theorbenzistern). Die Theorbenzistern mit Lautenkorpus bezeichnete man in Frankreich auch als "Cistre allemand".
Die Signatur einer fünfzehnsaitigen Theorbenzister von Louis Sigismond Laurent, Paris 1773, lautet: "AU CISTRE ALLEMAND / LAURENT, / Maitre & Marchand, Luthier / Passage du Saumon, Quartier Montmartre / et Montorgeuil / Fait, vend, loue & achete toutes sortes d'Instruments de Musique; tient des Clavessin & Epinettes; tient de la Musique & des Cordes pour toutes sortes d'Instruments; le tout à juste prix. / A PARIS 1773"; vgl.: The Schambach Collection of Musical Instruments; October 1 - November 13, 1983; The Fred L. Emerson Gallery / Hamilton College, Clinton, New York; S. 50.
Bereits im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts taucht in der Literatur der Name "Cetera Tedesca" für Instrumente vom Pandorentyp auf; vgl. z.B. Filippo Bonanni: Gabinetto armonico, Rom 1722; Taf. L: "Cetera Tedesca" (= Pandora mit dreifach eingeschnittener Zarge, 12 Saiten, Querriegel, geradem, abgeknicktem Wirbelkasten mit geschnitztem Kopf, 12 Flankenwirbeln, 10 Bünden); als Vorlage diente offensichtlich die "Cythara Communis" aus Athanasius Kirchers Musurgia Universalis, Rom 1650, S. 477.
Lautenzister Benjamin Gronau, Danzig 1767 Nach den überlieferten Instrumenten stellte Danzig ein Zentrum für den Bau dieses Typs dar. Neben Johann Gronau ist der Erbauer des Instruments Inv.-Nr. 3358, Johann Goldberg, als Hersteller von Lautenzistern bekannt. Gitarrisierte Lautenzister Johann Goldberg, Danzig 1741
Lautenzister "Benjamin Gronau Lauten- und Geigenmacher in Danzig Anno 1767"; Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. GM 1927.48; aus: Bleyl/Heller 1980, S. 34, Nr. 29 Rosette der gitarrisierten Lautenzister mit der Signatur: "Johann Gollberg, Lauten = und Gei / gen = Macher in Dantz. An. 1741"; Eisenach, Bachhaus, Inv.-Nr. I 14; aus: Heyde 1976, S. 40, Rosette ebd. S. 38
Viele Lautenzistern wurden im 19. Jahrhundert - dieses Schicksal teilen sie mit anderen historischen Lauteninstrumenten - zu einchörigen sechssaitigen Gitarren (Gitarrenlauten) umgebaut (vgl. Inv.-Nr. 573).
Andererseits wurden im 18. Jahrhundert auch Lauten nachträglich zu Lautenzistern umgebaut. Das Musikinstrumentenmuseum SIMPK in Berlin besaß ein solches Instrument, das auf eine Laute von Johann Christian Hoffmann, Leipzig 1717, zurückging (Inv.-Nr. 272; Kriegsverlust).
Curt Sachs führt das Instrument im Katalog zur Sammlung unter der Rubrik "Sistern mit diskantseitig verdicktem Hals" und verzeichnete: "Lautensister mit dem Schreibzettel: Johann Christian Hoffmann / Königl. Pohl. und Chur Fürstl. saechs. / Hoff Instrument und Lautenmacher / Leipz. Ao 1717. Ein Lautenkorpus aus elf Ahornspänen mit schwarzen Adern samt der lackierten Decke mit ihren drei zusammengestellten Rosen in Geriemselschnitzerei ist zur Sister umgearbeitet; schildförmige Stirnplatte und 12 Saiten in selben Chören an Knöpfen. H (99) 55½, B 33½, T 18 cm. Leipzig 1717ff" (Sachs 1922, Sp. 154)
Lautenzistern
Erbauer Provenienz Aufbewahrungsort Literatur
Johann Christian Hoffmann Leipzig 1717 ehemals Berlin, Staatliche Hochschule für Musik, Instrumentensammlung, Inv.-Nr. 272 Sachs 1922, 154
Johann Gollberg Danzig 1741 Eisenach, Bachhaus, Inv.-Nr. I 14 Heyde 1976, 38, 40
Jacob Heinrich Goldt Danzig 1742 Berlin, Musikinstrumenten-Museum SIMPK, Inv.-Nr. 4530 Reinhard 1960, Taf. 82, Nr. 3/4
Johann Goldberg Danzig 1747 Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig, Inv.-Nr. 573 de Wit 1892, S. 7; de Wit 1892, S. 143 (Nr. 20); de Wit 1893, S. 16 (Nr. 61); de Wit 1903, S. 68 (Nr. 139); Kinsky 1912, S. 156
Johann Goldberg Danzig 1753 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. MIR 865 Huber 1989, 116
Johann Gollberg Danzig 1760 Markneukirchen, Musikinstrumentenmuseum, Inv.-Nr. 1096 Katalog Markneukirchen 1908, 19; Jordan 1987, 50f.; Michel 1989, 96, Nr. 38
unsigniert (wohl Johann Goldberg) wohl Danzig, um 1760 Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig, Inv.-Nr. 3358 Rubardt 1964, S. 31; Michel 1989, S. 37f.; Michel 1999, S. 77ff.
Benjamin Gronau Danzig 1767 Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. GM 1927.48 Bleyl/Heller 1980, 34; Nr. 29
Antonius Bachmann Berlin, 2. Hälfte 18. Jh. Berlin, Musikinstrumenten-Museum SIMPK, Inv.-Nr. 4492 Das Musikinstrumenten-Museum des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Berlin 1978, 60f.
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