Zistern als Instrumente der sächsischen Bergleute und Bergsänger | |||
Andreas Michel | |||
In Sachsen bildeten über mehrere Jahrhunderte hinweg Bergleute und insbesondere die sogenannten Bergsänger eine wichtige soziale Trägerschicht des Zisternspiels. Diesen diente die Zister in erster Linie als Begleitinstrument, wie aus einem "Nachrichtlichen Entwurff / Des Berg-Männischen Auffzuges", der in Schneeberg im August 1678 stattfand, hervorgeht: | |||
"des Abends um 9 Uhr in
guter richtiger Ordnung mit angezündeten / wohlgeschürten und
hellbrennenden Gruben-Lichtern / vom Oberen Marckt herein unter
Schallmeyen-Klang sich praesentiret / da denn beym Röhr-Kasten der
Berg-Chor / bestehend aus dem Directore / 14 Adjuvanten / als 10
Bergleuten und 4 Schul-Knaben / samt 3 Cythar-Schlägern sein Berg-Reyhen
erschallen und mit voller Stimme zu erst hören laßen: Wach auff! wach
auff! der Steiger kömmt". (Salomo Krauss: Nachrichtlicher Entwurff / Des Berg-Männischen Auffzuges, Schneeberg V. August 1678, Zwickau o.J.; zit. nach Heilfurth 1936, S. 12) |
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Über die Eigenheiten des bergmännischen Singens äußerte Christian Meltzer 1680, daß die Bergleute zum Klang der Zister mit "besonderer Kehle" singen. Meltzer hob ausdrücklich hervor, daß der Gesang der Bergleute nicht im "gepflegten Wohlklang" erfolgte. | |||
"Pertinent huc cantilenae ex
jujus modi vocabulis compositae, vulgo die Bergkreyhen / quibus
Metallarii Dei benignitatem, munificentiam Principum, propriamque
integritatem alta voce decantare solent. Et dantur certi cantatores
metallici die Bergsänger / quia Principe Hermundurorum stipendia et
indumenta sua accipiunt (tragen eine gestickte Steigerkappe / Arschleder
und Hirschfänger) easdemque cantilenas inter sonos cytharae, non in
eleganti harmonia ac peculiari quasi gutture modulantur." (Christian Meltzer: Glück Auff! De Hermundororum Metallurgia Argentoria, Dissertation, Lipsiae 1680, S. 64; vgl. Sieber1958, S. 38 und 89) |
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An anderer Stelle, in seiner "Bergläufftigen Beschreibung Der ... Bergk-Stadt Schneebergk", charakterisierte er diese "besondere Kehle" der Bergleute im Zusammenhang mit dem Zisternspiel: | |||
"Es ist den Bergkleuten und Bergk-Städtern ein freies und lustiges Gemüthe gleichsam angebohren /
und muß sich dahero dasselbe fast nothwendig durch Singen der
Bergk-Reyhen bezeugen. Man höret es bald / wo sie ein Gelagk haben /
oder in einer Zeche sitzen / denn sie können nicht schweigen / sondern
sie ruffen laut und machen ein starck Gethöne / wenn sie wacker und
Bergkmännisch die Bergk-reyhen drehen und colloriren / das Maul muß
auffgethan / der Hals dran gestrecket und ja wohl aus allen Kräften
gesungen seyn / daß man es weit genung hören kan: der Seyten auff ihrer
Bergkmännischen Harffe oder Zyther schonen sie auch nicht / sondern
schlagen mit dem Federkiel weidlich drauff / daß es nur allenthalben
fein starck klinget und thönet." (Christian Meltzer: Bergläufftige Beschreibung Der ... Bergk-Stadt Schneebergk, Schneeberg 1684, S. 705; zit. nach Sieber1958, S. 40f.) |
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Und weiter heißt es: | |||
"Allein wenn sie Gott zu
Ehren also singen und ihme dancken / so thuts das bloße starcke Thönen /
das laute Ruffen und der vole Halß allein nicht / sondern es muß auch
mit Bergmännischer Andacht / ... gedancket und gesungen seyn ... d.i.
nicht die volle Stimme / da eyner prav schreyet / noch die
starckklingenden Seyten, sondern das Hertz und Gemüthe / wenn man Gott
liebet / machen daß ein geistlicher Bergk-Reyhen Gott wohl gefället." (ebd., S. 706, vgl. Werner Kaden: Frühe bergmännische Musikkultur. In: Beiträge zur Musikwissenschaft XXXI (1989), Heft 1, S. 60) |
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Diese Schilderung wird durch eine Vielzahl von Bildquellen ergänzt. Als eine der frühesten bildlichen Darstellungen von Bergsängern mit Zistern darf ein Kupferstich mit dem Titel: "Des Merkury Aufzugk mit der Bergk-Invention zum Ringk-Rennen über den Alten Marck und durch die Schloßgasse in die Churfürstl. Residenz und dan ferner auf die Bahne den 21. February Ao 1678" angesehen werden. | |||
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Der Stich zeigt "Churfürstliche Bergk-Sänger / in Bergk-Habit", die an einem Aufzug 1678 in Dresden teilnahmen. Ein zisternspielender Bergsänger ist ebenfalls auf einer 1678 datierten "Bergmännischen Garnitur für Johann II. von Sachsen" zu erkennen. | |||
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Nach Fürstenau traten bereits 1662 anläßlich einer sogenannten "Wirthschaft" Berghäuer mit Geige, Zister und Triangel am kurfürstlichen Hof in Dresden auf: "Die Trabantenpfeifer; Bergkhäuer (welche die Tänze gesungen); eine Discant-, Alt- und Baßgeige, Zither und Triangel; eine andere Musik von Geigen." (Moritz Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 1. Teil, Dresden 1861, S. 202) | |||
Insgesamt lassen die Quellen den Schluß zu, daß im 17. Jahrhundert die Zistern zu den meistgespielten und weit verbreiteten Musikinstrumenten in Sachsen gehörten. Andreas Beyer berichtete 1681 recht anschaulich: | |||
"Wenn
Gott Gedeien zur Arbeit / daß sie ihren Gewercken und auch wol sich
selbsten gut Ertz hauen / und nutzen schaffen / sämtlichen aber Ausbeuth
giebet / daran die Herren Gewercken ihren Darlag und Zupuß wegen
ergötzet werden / und die ehrlichen Bergleute es neben ihren Löhnigen
auch geniessen / so pflegen jung und alt / und die was können / ihre
Zitter hervor zusuchen und sich lustig darbey zu machen." (Andreas Beyer: Der Christliche Bergmann oder Bergmännische Christe, Leipzig 1681, S. 273) |
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Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts wurde die von den Bergleuten gepflegte Musik zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Stadtpfeifer, weil die Bergsänger nach Erweiterung ihres Instrumentariums trachteten und damit die Privilegien der Stadtpfeifer angriffen. Amtliche Regelungen waren die Folge. In einem Beschluß des Freiberger Rates aus dem Jahre 1707 wurde den "Pfuschern" - damit waren Bergsänger und Dorffiedler gemeint - angedroht, daß ihnen, sollten sie die Privilegien der Stadtpfeifer verletzen, die Instrumente zerschlagen würden. | |||
"Sollte aber jemand
eine bergmännische Musik verlangen, wäre ihnen dergleichen nicht zu
wehren, jedoch hätten sie sich keiner anderen Instrumente als der Zither
und Zymbels oder Triangels dabei zu gebrauchen."
(Freiberg 1707: Ratsbeschluß, OBA Freiberg, Nr. 328 und 489, Bl. 19/20; zit. nach Sieber 1958, S. 28) |
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Aus einer Vielzahl von Schreiben an die Obrigkeit gehen die Streite um Privilegien hervor. Im Gesuch der "Fraternität der Berg-Sänger zu Johann-Georgen-Stadt" an den Landesherrn aus dem Jahre 1708 heißt es: | |||
"Wir sind meistensteils von
Jugend auf der Bergarbeit nachgegangen und haben uns darbey einer
bergmännischen Music und Citterschlagen und ein wenig Singen befließen.
Es muß aber das Exercitium derselben durch den hiesigen Richter und Rath
schon zum öfteren unterbrochen und inhibiret, sind auch sowohl mit
Arest- und Geld-Straffe zum theil deßwegen hart beleget worden." (Johanngeorgenstadt 1708: Gesuch der "Fraternität der Berg-Sänger zu Johann-Georgen-Stadt" an den Landesherrn, 1708, OBA Freiberg, Ba. Johanngeorgenstadt 860; zit. nach G. Heilfurth: Das Bergmannslied, Kassel und Basel 1954, S. 24) |
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Andererseits beklagten sich die Stadtpfeifer über die Verwendung ihrer Instrumente durch andere Musiker. In einer Antwort des Vice-Actuars Andreas Göllnitz auf ein Schutzgesuch der Chemnitzer Stadtpfeifer vor "Stümpern und Bierfiedlern" vom 4.6.1689 heißt es: | |||
"Im übrigen aber könte man die jungen Purschen, so
in Bierhäußern unter sich selbst eine Musik machen wolten und nicht
aufflegen ließen, nicht so einschräncken, und blieben denenselben
unverwehret in Bierhäußern sich vor sich lustig zu machen mit der
Violine, Zithar und Sackpfeiffe, nicht aber mit Schalmeyen und andern
Instrumaentis Musicis". (Antwort des Vice-Actuars Andreas Göllnitz auf ein Schutzgesuch der Chemnitzer Stadtpfeifer vor "Stümpern und Bierfiedlern" vom 4.6.1689; zit. nach W. Rau: Geschichte der Chemnitzer Stadtpfeifer, Chemnitz 1931, S. 18) |
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Die Reglementierungen des Instrumentengebrauchs trug sicher nicht unerheblich dazu bei, daß die Zister zwangsläufig zum wichtigsten Instrument der Bergsänger wurde. In den Berichten über die Musik der Bergsänger tauchen immer wieder Zister und Triangel als Begleitinstrument auf. Georg Schünemann zitierte aus den Beichtakten des Pfarrarchivs Augustusburg: | |||
"Ao
1710 d. 28 Juny Abends nach Tische hat N. Cörtelein Steiger und seine 3
Söhne uff 3 Citter und 1 Triangel, Mir zu ehren, meine anno 1694 Churf.
Friedr. Augusto bey der Huldigung in Freyberg übergebene Bergmännische
Verse in dieser melodie zu Zwothen Thal bey Herr Wolffischen Kammerherrn
in Zwothenthal in seinem Bergstübgen abgesungen! M.E.H. NB. Dieser Steiger hat dem H. Fischer diese Verse in dieser Melodie lange zuvor an seinem Nahmenstage Ihn damit gleichsam anbindende Vorgesungen und uf befragen, Wo Er sie herbekommen geantwortet: Es hätte Sie ein Steiger zu Johann-Georgen Stadt gemacht, da Sie gar oft von Bergleuten gesungen würden. Welches Er ihm aber aus meinem Gedruckten Exemplar anders gelehrt." (Augustusburg 1710, Beichtakten des Pfarrarchivs; zit. nach Schünemann1918, S. 145f.) |
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Addendum | |||
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