Richard Jacob: Das Werk |
Angela Waltner |
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Richard Jacob legte stets großen Wert auf den Bezug zur
Tradition des Wiener Gitarrenbaus. Der Lehrmeister von
Richard Jacobs Vater, J. F. August Paulus, hatte bei Johann
Anton Stauffer in Wien gearbeitet. Auf einer Werbepostkarte
zeichnet er den Weg dieser Tradition bis zu Johann Georg
Stauffers Lehrmeister Geißenhoff nach. Er nannte als
Gründungsjahr für seine Werkstatt mehrfach das Jahr 1847.
Somit verstand er seine Werkstatt als die
Weiterführung der väterlichen. In den sechs Jahren der
Arbeit in gemeinsamer Werkstatt dürfte ein Großteil des
Wissens vom Vater auf den Sohn übergegangen sein. |
Rückseite einer Werbepostkarte von Richard Jacob, um 1950 |
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Die Instrumente der Schaffenszeit seit Werkstattgründung waren
Nachbauten im Verständnis der Zeit. Richard Jacob studierte die enorme
Vielfalt an Formen und Konstruktionen von Gitarren vor allem des 19.
Jahrhunderts. Dies waren zunächst hauptsächlich die kleineren deutschen
und französischen Modelle, späterhin auch die größeren Wiener Formen.
Besonders die ersteren interessierten ihn aufgrund der reichlich
vorhandenen Schmuckelemente. |
In Markneukirchen war der Zugang zu Instrumenten des 19.
Jahrhunderts relativ leicht. Durch ihre Geschäftsverbindungen und Reisen
kamen die Markneukirchner Verleger in den Besitz historischer und
zeitgenössischer Instrumente aus aller Welt. 1883 wurde das
Gewerbemuseum gegründet, das den Handwerkern als Lehrstätte dienen
sollte. Es war möglich, Instrumente und anderes Material auszuleihen. |
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Die Empfangsschein- und Quittungsbücher des Museums belegen,
das 1920 an Richard Jacob eine Gitarre von Johann Knösing aus
dem Jahr 1804 (Inv.-Nr. 1098) ausgeliehen wurde. Dieses
Instrument behielt er etwa zwei Monate in seiner Werkstatt. Es
sprach ihn offenbar sehr an, denn er baute es sehr detailgetreu
nach und nahm das Modell in seinen Katalog auf. |
Leihschein des Gewerbemuseums Markneukirchen (heute
Musikinstrumentenmuseum) |
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Allerdings war diese Genauigkeit des Nachbaus bei Richard Jacob
selten. Vielmehr behielt er sich Raum für seine schöpferische Freiheit. |
"Das ausgewählte Modell sollte im Endeffekt aus bestem Material und
schön sein, sollte Auge und Herz erfreuen, mit anderen Worten erste
Qualität!... Zum Ausdruck der Schönheit setzte er die verschiedensten
Ränder und Späne, Schalloch-, Kopf- und Stegformen ein und die
unterschiedlichsten Holzkombinationen auch mit Furnieren. Das ergab ein
weites Betätigungsfeld, machte die Arbeit interessant und zur Freude."
(Martin Jacob, um 1985, S. 2). |
"Endziel waren viele verschiedenartige, wertvolle neue Muster, bei
denen historische Vorbilder Pate gestanden hatten... Nach eigenem
Hinweis baute Richard Jacob für den Salon und für die Damen." (Martin
Jacob 1986, S. 1) |
Da Richard Jacob in seinen ersten Schaffensjahren an Verleger
lieferte, war der Kontakt zu den Spielern seiner Instrumente vermutlich
nicht allzu intensiv. Überhaupt scheint um 1900 das Streben nach
Klangqualität in Markneukirchen nicht sehr ausgeprägt gewesen zu sein.
Zumindest sind in Katalogen aus dieser Zeit lediglich Angaben zu
Verarbeitung und Ausführungen der Instrumente zu finden (vgl. Stark
1893, Merz um 1900). |
Der Sohn Martin schreibt zur Arbeit seines Vaters: |
"Gab es da auch schon die Suche nach dem optimalen Klang? Dieses
Streben stak im Grunde genommen in all den beschriebenen Versuchen der
ersten Schaffensperiode ..., blieb aber als Konzertqualität immer wieder
stecken an dem damals vorzüglich verwendeten schmalen Biedermeier-Modell
mit einer Ausnahme, dem Wiener Modell. Jene Wiener Meister ... hatten
tonlich schon eine neue Qualität erreicht, aber wahrscheinlich eignete
sich ihr Modell zu wenig für Schmuckelemente, die Richard Jacob so
bevorzugte. ... Sein Spitzenmodell war diesbezüglich die Vihuela von
Joachim Tielke." (Martin Jacob 1986, S. 1f.) |
In jungen Jahren reiste Jacob offenbar viel. Er kannte
Süddeutschland und Österreich gut. Er liebte es, Museen und Schlösser zu
besuchen. Besonders gern war er nach der Aussage seiner Tochter im
Schloß Sanssouci in Potsdam und im Schloß Wilhelmshöhe in Kassel. Von
seinen Reisen brachte er jedes Mal Skizzen und Ideen mit, die er für die
ornamentale Gestaltung seiner Instrumente heranzog. |
Die Besuche der spanischen Gitarristen markierten für Richard Jacob
einen Umbruch und zugleich den Beginn einer neuen Schaffensperiode.
Martin Jacob schreibt hierzu: |
"Die spanischen Gitarristen Miguel Llobet und Andres Segovia ...
machten mit ihren spanischen Konzertgitarrren auf ganz neue
Möglichkeiten im Gitarrespiel und Gitarrebau aufmerksam. Man entdeckte
jetzt den Wert der Tonstärke und den Klang... Durch sein langes Studium
im praktischen Gitarrenbau hatte Richard Jacob schlagartig erkannt, was
die spanischen Kollegen erreicht hatten." (Martin Jacob 1988, S. 2f.) |
Offenbar konnte er Andrès Segovias Gitarre untersuchen und
abzeichnen (Jacob, M. um 1985, S. 3; zu möglichen Originalinstrumenten
aus der Hand Segovias oder auch Miguel Llobets und Emilio Pujols siehe
Kießig 2000, S. 46ff.). |
Seitdem widmete er sich besonders der Konstruktion "spanischer"
Gitarren. In seinem Katalog erklärt er zu seinen "Torres"-Modellen (Über
die widersprüchliche Verwendung des Begriffes "Torres-Modell" siehe
Kießig 2000, S.43ff.): |
"Die Torres-Gitarre ist unstreitbar die vollkommenste. In ihr
vereinigen sich alle Vorzüge, welche der Spieler benötigt. [... ] Eine
Gitarre nach Torres zu bauen, bei welcher nicht nur die äußere Form,
sondern vor allen Toncharakter, Konstruktion, leichteste Spielbarkeit
und Ansprache, sowie sauberste Handarbeit dem Original entsprechen,
erfordert jedoch den tüchtigen Meister, der jede einzelne Arbeit an dem
Instrument selbst ausführt und die akkustischen Gesetze genau kennt.
Verständnis und Geduld, Liebe und völlige Hingabe zu seinem Beruf sind
Haupterfordernis. Verwendung von nur allerbesten Materials. Großes Lager
in nur erstklassigen Edelhölzern, sowie langjährige Pflege und
Behandlung dieser durch Luft und Sonne ist erforderlich. Sein
Zusammenarbeiten mit dem ausübenden Musiker führt zu Erfolg. Aber auch
der Erbauer muß sein Instrument selbst spielen können." |
Da der Einblick in den persönlichen Nachlaß Richard Jacobs bislang
nicht möglich war, kann hier nicht erörtert werden, von welcher Qualität
die Zusammenarbeit mit namhaften Gitarristen war, mit denen er in
Kontakt stand. Es existieren einige Arbeitshefte, in denen
höchstwahrscheinlich darüber Auskünfte erlangt werden können. Nach
mündlicher Auskunft von Maria Jacob sind dort u.a. Literaturhinweise
aufgezeichnet. |
Insgesamt kann gesagt werden, daß die Weißgerber-Instrumente sich
auch in dieser Zeit durch eine große Vielfalt in bezug auf Gestaltung,
Materialauswahl, Formen und Beleistungsanordnung auszeichnen. |
Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Tode im Jahre 1960
bildet die dritte Schaffensphase. |
Richard Jacob arbeitete darauf hin, die Gitarre noch leichter zu
bauen. Wo es nur möglich war, reduzierte er das Material auf das
Nötigste. Er begann, Decken und Böden zu kehlen, Hohlräume im Hals
anzubringen, Kopf und Steg filigran zu gestalten, auf Randeinlagen zu
verzichten u. ä. (vgl. Henke 2000). |
Diese Bauweise korrespondierte mit dem Postulat eines weichen,
silbrigen, obertonreichen Klanges. Inspirationen erhielt er von dem
Gitarristen Siegfried Behrend, mit dem er in engem Kontakt stand und der
viele der in dieser Zeit gebauten Instrumente von Jacob erwarb. Behrend
hatte in Bezug auf die Gitarre die Vorstellung eines "nahezu
schwerelosen" Instruments. In einem Interview erklärte er: |
"Er hat ja nie das gleiche gebaut. [...] Alles, was nach unseren
Gesprächen passierte, diese Instrumente habe ich dann nach und nach
gesammelt- bis auf fünf oder sechs, die sind in andere Hände gegangen.
[...] Ich habe natürlich alle möglichen Gitarren in der Hand gehabt.
Dieser Klang ist aber nicht zu rekonstruieren. Das hat kein Mensch
bisher gebracht" (Gitarre & Laute; siehe auch Henke 2000). |
Die Kunst- und Musterschau |
Im Laufe seiner 59 Arbeitsjahre legte Richard Jacob von seinen
zahlreichen Modellen eine Sammlung an Musterinstrumenten an, die er
selbst als "Kunst- und Leistungsschau" bezeichnete. Sie war sein ganzer
Stolz und enthielt eine geradezu unüberschaubare Anzahl von fertigen und
halbfertigen Instrumenten. In seinem Testament vom 28. Februar 1960
bemerkt er dazu: |
"Es ist dies eine einmalige Leistung in aller Welt, ohne Konkurrenz
der Schönheit, des Klanges und der Haltbarkeit seiner Güte, zum Nutzen
der Allgemeinheit und unserer hiesigen Musikindustrie, sowie unserer
DDR, des Deutschen Kunsthandwerks." (R. Jacob 1960) Weiter führt er aus:
"Die Kunst und die Not meines Vaters als Alleinverdiener einer
10-köpfigen Familie ließen dieses Werk entstehen. Ein gesunder Geist gab
mir die Idee, ein gesunder Körper die größte Schaffenskraft. Mein Glaube
und die sittliche Kraft und die Vernunft können mein Werk nicht
untergehen lassen." |
Die traumatischen Erfahrungen seiner Kindheit – der Not in der
Familie wegen wurde Richard Jacob zum Großvater mütterlicherseits, dem
Geigenbaumeister Christian Wilhelm Seidel, in Erziehung gegeben, mag ihn
zunächst motiviert haben, einen Vorrat an Instrumenten als Wertanlage zu
schaffen. Mit dieser mußte vorsichtig umgegangen werden. Nicht alle
Instrumente, die gebaut wurden, standen zum Verkauf und viele
Kundenwünsche wurden nicht erfüllt. |
Auf den Einfluß der Inflation in den zwanziger Jahren - er verlor
offenbar in dieser Zeit ein beträchtliches Vermögen - wurde bereits
hingewiesen (vgl. Oldiges 1996). |
Richard Jacob wuchs in einer Zeit auf, in welcher der
Exporthandel mit Musikinstrumenten in Markneukirchen seinen Höhepunkt
erlangt hatte, was zur Ausprägung eines starken Lokalpatriotismus
führte. Aus einer von Martin Jacob verfassten Darstellung über das
Lebenswerk seines Vaters, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der
Weißgerber-Instrumente durch das Musikinstrumenten-Museum der
Universität Leipzig entstand, geht näheres darüber hervor. |
"In diesem geistigen Klima wuchs R. J. damals auf und zwar als
Gitarrenbauer! Da kam ihm eines Tages – es war auf dem heutigen
Wilhelm-Külz-Platz unterhalb der Kirche, - der Gedanke, er wolle auf dem
Gebiet des Gitarrenbaues etwas Besonderes leisten!" |
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Schon um 1911 reifte die Idee der Sammlung. Das Studium
des Gitarrenbaus des 19. Jahrhunderts und die schöpferischen
Interpretationen durch Richard Jacob sollten in einer
"Kunstschau" dokumentiert werden. |
Firmenschild der Werkstatt Weißgerber; Markneukirchen, Goethestr. 2 |
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Zeitgenossen, die Jacob persönlich kannten, sagen aus, daß immer
zwei Instrumente auf einmal gebaut wurden. Bei Bedarf wurde das eine
verkauft, das andere kam zur Dokumentation in die Sammlung. Dagegen
betont Jacob in seinem Testament, daß jedes einzelne Werk nur in
einmaliger Ausführung vorhanden ist (Martin Jacob 1992). Aber diese
Aussage kann durch die überlieferten Instrumente nicht durchweg
bestätigt werden. |
Als Segovia 1924 in Markneukirchen konzertierte, besichtigte er die
Sammlung mit dem Kommentar, er habe so etwas noch nicht gesehen. Jacob
warb mit dieser Aussage in seinem Katalog. Hierin wies er auf die
kontrollierte Qualität seiner Instrumente hin. |
Die Sammlung gab ihm Gelegenheit, viele der fertiggestellten
Instrumente über Monate und Jahre zu beobachten - für ihn ein wichtiger
Gesichtspunkt für die Gewährleitung höchster Qualitätsansprüche. So
konnte er die volle Garantie dafür übernehmen. Andererseits ermöglichte
ihm sein riesiges Vorratslager, auf Bestellungen schnell zu reagieren.
Die "Kunstsammlung" erfüllte den Gitarrenbauer mit tiefer Befriedigung.
In seinen letzten Lebensjahren, als es mit seiner Gesundheit nicht mehr
zum besten stand, ihn die politischen Gegebenheiten und auch familiären
Zwistigkeiten zu schaffen machten, wurde diese ihm zum Trost: |
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"Nur meine K.[unst-]Sammlung bringt mir Zufriedenheit, und so komme
ich täglich mehrmals hinauf. Aber es fehlt mir etwas." (Brief an
Siegfried Behrend vom 31. Januar 1957) |
Richard Jacob in seiner "Kunstsammlung", Markneukirchen um 1940 |
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Briefkopf Richard Jacobs aus dem Jahre 1959 |
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Nach dem Tod Richard Jacobs wurde die Sammlung von seinem Sohn Martin verwaltet. Dieser arbeitete von nun an hauptsächlich daran, die
halbfertigen Instrumente des Vaters fertig zustellen und Reparaturen von Schäden, die durch jahrelange Lagerung entstanden, vorzunehmen. Er stand
in Kontakt mit wichtigen in- und ausländischen Gitarristen seiner Zeit. |
Am Ende seines Lebens vergab er auch an in Markneukirchen ansässige Meister und an den Studiengang Musikinstrumentenbau halbfertige Gitarren
zur Fertigstellung. |
Inhalt | Biographie |
Weißgerber-Gitarren: Überblick |
© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 2001 |