Forschungsprojekt "Historischer vogtländischer Streichinstrumentenbau" | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
André Mehler | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die historisch-vogtländische Geigenbauschule | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der frühe vogtländische Geigenbau lässt
sich auf die Jahre zwischen der Übersiedlung protestantischer Exulanten
vom böhmischen Graslitz aus ins sächsische Vogtland um 1650 bis zum
Beginn der auch im Geigenbau um 1850 einsetzenden Industrialisierung
eingrenzen. Neben Mittenwald war das obere Vogtland in diesem Zeitraum das einzige Zentrum für den Bau von Streichinstrumenten im deutschsprachigen Raum nördlich der Alpen. Obwohl in den Innungsartikeln zur Gründung der Geigenmacherinnung Markneukirchen 1677 auch der Bau anderer Instrumente (Zister, Viola da gamba) zur Erlangung des Meistertitels gefordert wurden, gehören die meisten erhaltenen Instrumente des späten 17. und 18. Jahrhunderts der Familie der Viola-da-braccio–Instrumente an. Aus Inventarlisten der Hofkapellen und Kantoreiorchester (vgl. Heyde 1986) geht hervor, dass es neben Instrumenten der jeweiligen ortsansässigen Geigenmacher im wesentlichen vogtländische Instrumente waren, die im 17. Jahrhundert in der Musizierpraxis zum Einsatz kamen. Während den Bau der Instrumente Instrumentenmacher in Markneukirchen, Klingenthal und umliegenden Ortschaften ausführten, wurde der Handel und die Vermarktung schon recht früh von Händlern übernommen (vgl. Zoebisch 2000). Beim historisch-vogtländischen Geigenbau kann man von einer eigenständigen Instrumenten-Bauschule sprechen, die sich zu dieser Zeit nicht oder noch nicht an anderen Schulen orientierte. Diese vor allem in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. immer wieder geäußerte These, dass vogtländische Meister sich an Instrumenten der italienischen Geigenbautradition orientierten, lässt sich anhand von Stilistik, Konstruktionsmerkmalen und Maß und Formanalysen bei Instrumenten bis etwa 1830 eindeutig widerlegen. Der vogtländische Geigenbau ist bisher, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der neueren Literatur weitgehend unbeachtet geblieben. Die in den verschiedensten Sammlungen und Museen vorhandenen Instrumente sind ebenso in ihrer Gesamtheit noch nicht ausreichend dokumentiert worden. |
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Spezifische Besonderheiten und Stilistik | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Man kann davon ausgehen, dass die Viola
da braccio - Instrumente aus der Zeit des historischen Geigenbaus im
Vogtland fast ausnahmslos nach der Konstruktionsmethode des "Freien
Aufschachtelns" gefertigt wurden. Diese Methode trifft man außer im
Vogtland nur nördlich der Alpen an, da aber sowohl vom südlichen
Schwarzwald ("Alemannische Schule") bis hin zu einigen Regionen in
England (vgl. Adelmann/Otterstädt 1997, 23ff.). Der Bau eines Instruments nach dieser Methode hat bestimmte konstruktive Besonderheiten zur Folge, die wiederum auch einen Einfluss auf die Stilistik eines Instruments haben. So lassen sich bei den Instrumenten unterschiedlicher vogtländischer Meister in der Gestaltung, z. B. der Hals-Korpusverbindung oder des Zargenkranzes, zahlreiche Gemeinsamkeiten ausmachen. Von Ausnahmen abgesehen entsprechen die Instrumente durch bauliche Besonderheiten, wie Wölbungsgestaltung und Ausarbeitung der Decken und Böden, noch bis nach 1800 einem Klangideal, welches im südlichen Italien schon ab 1700 verschwand. Dieses Klangideal scheint aber im 18. Jh. typisch für die Musizierpraxis nördlich der Alpen. Und gerade die reiche mitteldeutsche Barockmusik mit Vertreten wie Georg Philip Telemann, Johann Sebastian Bach, Johann Schelle, Johann Theile u.v.a. steht in engem Zusammenhang mit den vogtländischen Musikinstrumenten, deren Nachbauten nach philologischen Überlegungen bevorzugt im Rahmen der historischen Aufführungspraxis der mitteldeutscher Barockmusik zur Verwendung kommen sollten. Im weiteren Verlauf der Geschichte nahm ab der 2. Hälfte des 18. Jh. jedoch die Bedeutung der oberitalienischen Geigenbautradition immer mehr zu. Der Einfluss der dortigen Musikkultur strahlte zunehmend auch auf Deutschland aus. Dies wird unter anderem durch die Existenz italienischer Musiker an den bedeutenden Fürstenhöfen deutlich, die natürlich ihr Instrumentarium bevorzugten, und diese Tendenz wird dann auch an den sich verändernden Inventarlisten der Hofkapellen sichtbar (vgl. Fürstenau 1861). Darüber hinaus reisten hiesige Musiker zur Ausbildung in italienische Musikzentren wie Rom, Mantova oder Venedig. Vogtländische Musikinstrumentenbauer mussten der sich verändernden Nachfrage gerecht werden und begannen, ihre traditionellen Fertigungs- und Konstruktionsmethoden zu verändern, ihre Formen und Stilistiken zu verwerfen und zunehmend nach Modellen oberitalienischer Geigenbauer zu bauen. Den Höhepunkt erreicht diese Entwicklung dann mit der Verwendung so genannter Faksimile–Zettel in Manufakturinstrumenten um 1900. |
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Standortbedingungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Aufgrund der über 300 jährigen
Geigenbautradition im oberen Vogtland, bietet Markneukirchen mit der bis
heute vorhandenen regionalen Konzentration von Handwerksbetrieben,
Instrumentensammlungen und Forschungseinrichtungen, eine fundierte
Materialbasis für die Erforschung des vogtländischen Instrumentenbaus. Durch diese Kompetenzkonzentration besteht die Möglichkeit, theoretische Vorarbeit zu den historischen Grundlagen, Dokumentation und Vermessung von erhaltenen Instrumenten zu leisten sowie deren Nachbau nach den überlieferten Konstruktionsmethoden und Klangkriterien raum- und zeitnah auszuführen. |
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Forschungsprojekt "Historisch vogtländischer Streichinstrumentenbau" - Zielstellung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Bedeutung der
historisch-vogtländischen Streichinstrumente für das heutige
Konzertleben im Bereich der alten Musik, aber auch zur Erhaltung und
Bewahrung der Kenntnisse und der Traditionen dieser einzigartigen
Instrumentenbauschule lässt sich aus obenstehenden Anmerkungen ableiten. In fast allen Instrumentensammlungen weltweit hat sich eine große Anzahl von vogtländischen Violinen, Violen und Violoncelli erhalten. Im Gegensatz zu den Instrumenten bedeutender italienischer Instrumentenbauer aber steht die Erforschung und Dokumentation des gesammelten Wissens über die vogtländischen Instrumente noch am Anfang. Ein Zielstellung des Forschungsprojekts besteht in der Erfassung und Dokumentation der in verschiedenen Sammlungen - vor allem im mitteldeutschen Raum - noch zahlreich vorhandenen vogtländischen Viola-da-braccio-Instrumente. Die biographischen Daten der vogtländischen Instrumentenmacher sind im Jahr 2000 von Bernhard Zöbisch bereits publiziert worden (vgl. Zoebisch 2000), jedoch nimmt hier die Dokumentation der Werke dieser Meister eine untergeordnete Stellung ein. Weltweit macht die Pflege, Reparatur und Wartung dieser Instrumente in den heutigen Geigenbauwerkstätten einen großen Teil der Arbeit aus. Und somit besteht ein reges Interesse an genauen Informationen über diese Instrumentenbauschule, einhergehend mit dem Bedarf an einer photographischen Dokumentation der stilistischen Besonderheiten. Weiterhin soll es ermöglicht werden, mit Hilfe des gesammelten Materials als Arbeitsvorlage ausgewählte Streichinstrumente nachzubauen und somit auf den steigenden Bedarf an Klangwerkzeugen vor allem für die historische Aufführungspraxis zu reagieren. Parallel dazu sollten weiter Teilbereiche des vogtländischen Geigenbaus erforscht werden, wozu z. B. die Beschäftigung mit anderen Instrumentengattungen wie Viola da gamba – Instrumente oder der Einfluss konstruktiver Besonderheiten auf den Klang gezählt werden können. |
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Statistik / erfasste Instrumente | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Den Schwerpunkt für die Erstellung des
Katalogs der Viola-da-braccio–Familie bildeten Violinen, Violen und
Violoncelli vogtländischer Provenienz des 17. bis frühen 19.
Jahrhunderts. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt umfasst der Katalog jedoch nur einen Teil der in den Sammlungen und Museen erhaltenen Instrumente und wurde bewusst so angelegt, dass eine Erweiterung jederzeit möglich ist. Bei der Auswahl wurde jedoch keine Selektierung vorgenommen, um dadurch die gesamte Schaffensbreite der vogtländischen Musikinstrumentenbauer dieser Zeit zu erschließen. Jedoch ist darauf hingewiesen, welche Instrumente sich aufgrund des Erhaltungszustandes der noch im Original befindlichen Bau- und Bestandteile oder der baulichen Qualität besonders eignen, als Vorbild für einen Nachbau zu dienen. Die Instrumente folgender Sammlungen, Institutionen und Museen wurden zur Realisierung des Projekts ausgewählt: |
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Gliederung und Beschreibungsalgorithmus der Dokumentation | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Präsentation und Form der Dokumentation | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Jedes der im Katalog enthaltenen Instrumente ist nach einem am Studiengang entwickelten Standard vermessen und dokumentiert worden. Das eröffnet die Möglichkeit, Parallelen aufzuzeigen und Vergleiche anzustellen. Der erarbeitete Katalog steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt am Studiengang Musikinstrumentenbau nur in digitaler Form zur Verfügung, jedoch ist eine teilweise Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im Internet geplant. Des Weiteren soll der Katalog in Verbindung mit den Biographien der vogtländischen Geigenmacher bis 1850 und einer umfassenden Darstellung der Zusammenhänge des historisch- vogtländischen Geigenbaus publiziert werden. |
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Ergebnisse | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Der Katalog umfasst zum gegenwärtigen Zeitpunkt 57 dokumentierte Instrumente, ist aber in seiner standardisierten Struktur so geschaffen, dass die digitale Version jederzeit erweitert werden kann. Gesamtübersicht der im Katalog enthaltenen Instrumente aller Sammlungen: |
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Parallel und ergänzend zum Katalog befassten sich weitere Studien- und Projektarbeiten mit der Thematik des historischen vogtländischen Geigenbaus. Unter anderem wurden ausgewählte Instrumente mit Hilfe der im Katalog enthaltenen Daten nachgebaut oder spezifische Aspekte und Zusammenhänge, wie z. B. die Auswirkung der Hals–Korpus-Verbindung auf das Klangverhalten eines Instruments oder der Nachweis der konstruktiven Besonderheit der vogtländischen Instrumente auch in anderen regionalen Instrumentenbauschulen, untersucht. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nachbauten vogtländischer Instrumente in historischer Bauweise am Studiengang Musikinstrumentenbau Markneukirchen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Forschungs- und Projektarbeiten zu Aspekten des historisch-vogtländischen Geigenbaus am Studiengang Musikinstrumentenbau Markneukirchen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Literatur | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Projekt Streichinstrumentenbau | Bibliographie Geigenbau (bis 1864) | Kontakt André Mehler | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 2007 |